Das Projekt „KOMA – Konzept zur Minderung des Alkoholkonsums bei Jugendlichen“ des Arbeitskreises Jugend & Prävention Neustadt a.d.W., an dem das gemeinsame Sachgebiet „Jugend“ der Polizeiinspektion Neustadt maßgeblich mitgewirkt hat, ist Preisträger im 1. Bundeswettbewerb Alkoholprävention. Bei der feierlichen Preisverleihung in Berlin erhielten die Projektverantwortlichen aus Neustadt die Siegerurkunde und das Preisgeld in Höhe von 7.000 Euro.
Damit ist das Projekt „KOMA“ – der Begriff erhält hier eine völlig neue Bedeutung – eines von bundesweit acht Projekten, die für ihre herausragenden Ansätze zur Alkoholprävention bei Jugendlichen ausgezeichnet wurden. Der Wettbewerb unter dem Motto „Innovative Projekte umsetzen – nachhaltig wirken“ fördert besonders einfallsreiche Präventionsansätze und empfiehlt sie zur Nachahmung. Ausrichter sind die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und der Verband der Privaten Krankenversicherungen (PKV) im Rahmen der Kampagne „Alkohol? Kenn dein Limit!“. Die Ehrung der Preisträger übernahmen Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr, BZgA-Direktorin Prof. Dr. Elisabeth Pott und PKV-Verbandsdirektor Dr. Volker Leienbach.
„Alkohol ist das am weitesten verbreitete Suchtmittel in Deutschland“, sagte der Bundesgesundheitsminister und fügte hinzu: „Maßnahmen, die vor Alkoholmissbrauch warnen, müssen früh ansetzen, schon bei Kindern und Jugendlichen. Den ersten Alkohol trinken junge Menschen in Deutschland schon mit 14 oder 15. Die Wettbewerbsbeiträge zeigen, wie Jugendliche mit neuen Präventionsideen wirkungsvoll erreicht werden können.“ Aus mehr als 150 Einreichungen hatte die Jury die acht Preisträger ermittelt. Entscheidend waren der fachliche Anspruch und die jugendgerechte Vermittlung.
KOMA: Konzept zur Minderung des Alkoholmissbrauchs bei Jugendlichen
Weinfeste sind stimmungsvoll und einladend – solange Alkohol mit Genuss und maßvoll konsumiert wird. Brauchtums- und Weinfeste ziehen immer mehr Jugendliche an, die im verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol noch keine Erfahrung haben. Während die Tendenz zum Flatrate-Trinken in Diskotheken und Jugendclubs allmählich nachlässt, bevorzugen immer mehr Jugendliche so genannte „Ackerpartys" unter freiem Himmel: Weinfeste, Stadtfeste, Fastnachts- und Kirchweihveranstaltungen. Dort kommt es vermehrt zum Rauschtrinken oder auch „Koma-Saufen“. Aus Sicht der Veranstalter, Festgäste, Eltern, Polizei und Jugendschutz ist diese Entwicklung höchst problematisch.
Für den Neustadter Arbeitskreis Jugend & Prävention und die Fachstelle Sucht/Fachdienst Prävention der Evangelischen Heimstiftung Pfalz steht fest: Dieser Trend ist nicht hinnehmbar; passgenaue Angebote werden benötigt. So entstand das Projekt mit dem griffigen Kürzel „KOMA“. Es steht für den etwas sperrigen Titel „Konzept zur Minderung des Alkoholmissbrauchs bei Jugendlichen“. Alle waren sich einig: „KOMA“ muss umfassend ansetzen, um nachhaltig zu wirken. Nicht nur in den Augen der Jury ist das gelungen: Die Nachfrage nach den einzelnen Projekt-Bausteinen war schon bald größer als die Kapazitäten der Macher.
Alkoholprävention – ganz nah am Geschehen
Jugendspezifische Angebote der Alkohol- und Suchtprävention fanden bisher eher im „geschützten Raum“ statt. Für spezielle Veranstaltungen wie die „Lange Nacht der Jugend", „Street-Ball" und „Soccer-Night“ galt und gilt die strikte Devise: Alkohol und andere Drogen bleiben draußen! Zu beweisen war: Auch ohne Suchtmittel können junge Leute Spaß haben.
Den behüteten Rahmen spezieller Veranstaltungen zu verlassen und sich mit suchtpräventiven Angeboten dorthin zu begeben, wo die Risiken des Alkoholmissbrauchs besonders nahe liegen, war auch für den Neustadter Arbeitskreis Neuland. Viele Festveranstalter und Standbetreiber kooperierten zum ersten Mal mit den Fachkräften des Jugendschutzes und der Suchtprävention. Heute sind sich alle Beteiligten einig: Es hat sich gelohnt, aufeinander zuzugehen und neue Wege zu wagen. Die alten „Fronten“, wonach konsequenter Jugendschutz einem guten Umsatz entgegensteht und Gäste abschreckt, wurden Schritt für Schritt abgebaut. Denn auch die Veranstalter erkannten bald: Die Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs mit all seinen Folgewirkungen dient nicht zuletzt einer entspannten Feierkultur – und damit schließlich allen Beteiligten.
Schulungen und Info-Angebote erweiterten das Wissen um den Jugendschutz und die Grundsätze der Alkoholprävention. Man kam miteinander ins Gespräch, erkannte gemeinsame Interessen. Sogar die Weinprinzessin und Mandelblütenkönigin konnte als prominente Verstärkung am KOMA-Stand gewonnen werden.
Prävention mit Humor und unverkrampfter Nachdenklichkeit
Bei „KOMA“ geht es um Verhältnis- und Verhaltensprävention: Schulungen und anschließende Verpflichtungserklärungen der Festbetreiber, Info-Veranstaltungen für Stadtteil- und Ortsvorsteher sowie für den örtlichen Jugendhilfeausschuss bilden die ordnungsrechtliche Basis für einen umfassenden Jugendschutz. Auf der „Verhaltensebene“ werden zunächst die Erwachsenen angesprochen und in ihrem Vorbildverhalten gestärkt. Eine zielgruppenorientierte Aufklärung und Beratung soll schließlich die Jugendlichen ermutigen, ihr Konsumverhalten und ihr Verhältnis zum Alkohol zu überdenken.
Der Einsatz von „Rauschbrillen“, die beim Probanden eine Alkoholeinwirkung optisch vortäuschen, „Behüterli“ und Spucktüten holen die jungen Festbesucher dort ab wo sie stehen, dort wo sie für das Thema Alkohol gerade offen sind. Schon nach wenigen Einsätzen vor Ort sprach sich bei Festveranstaltern und Gästen herum, dass der Arbeitskreis nicht „gegen Alkohol“ agiert, sondern für einen maßvollen und selbstbestimmten Umgang damit und eine schöne Feierkultur. Bei „KOMA“ geht es nicht gegen Weinfeste, sondern um die Verantwortung der Festbetreiber und Gäste, der Erwachsenen und Jugendlichen.
Neun Bausteine ergeben ein stimmiges Ganzes
Bei „KOMA“ greifen unterschiedliche Präventionsansätze und Strategien ineinander. Neun Bausteine ergeben das Gesamtbild. Am Anfang stehen Info-Veranstaltungen wie etwa die Projektpräsentation vor haupt- und ehrenamtlichen Bürgermeistern. Hinzu treten Schulungen für Veranstalter, Peers und Mitarbeiter. Eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit unter dem Slogan „Prävention uff`m Feschd" macht „KOMA“ in der Region bekannt. Parallel dazu ist das Projekt in den Schulen präsent, informiert über die Früherkennung beginnender Alkoholsucht und wirbt für die Techniken der „Kurzintervention“ bei riskant konsumierenden Jugendlichen. Unverzichtbar ist die unmittelbare Ansprache vor Ort, auf den Weinfesten der Region, mit dem „KOMA-Mobil". Das knallbunte Vehikel ist ein echter Blickfang.
Die „KOMA“-Bausteine greifen ineinander und bündeln die Ressourcen. Eine derart umfassende Strategie kann nicht im Alleingang bewältigt werden. Der Arbeitskreis Jugend & Prävention vereint die Kompetenzen und Zugänge im Raum Neustadt. Beteiligt sind unter anderem das Jugendamt und die Jugendpflege, Polizei, Selbsthilfegruppen wie das Blaue Kreuz, das örtliche Mehrgenerationenhaus, die Schulsozialarbeit, der Jugendmigrationsdienst, diverse Träger der freien Jugendhilfe und der Wohlfahrtspflege sowie der Fachdienst Prävention / Fachstelle Sucht. Einzelne Mitglieder des Arbeitskreises verfügen über eine besondere Qualifikation z.B. in der Spiel- und Erlebnispädagogik, der „motivierenden Kurzintervention“ („MOVE“) oder der Suchtkrankenhilfe.
Als Partner wurden die Ortsgemeinden, das Touristik- und Kongresszentrum Neustadt sowie die jeweiligen Ausschankbetreiber gewonnen: Vereine, Weingüter und die Landjugend. Auf ordnungspolitischer Ebene sind die Ordnungsämter und das gemeinsame Sachgebiet „Jugend“ der Schutz- und Kriminalpolizei Neustadt eingebunden. Immer mehr Institutionen und Akteure schließen sich „KOMA“ an und unterstützen die Ziele einer Alkoholprävention, die nicht „feierfeindlich“ ist und „dagegen hält“, sondern für Spaß und Geselligkeit mit Verantwortungsbewusstsein eintritt. Für dieses Konzept erhielt „KOMA“ in Berlin den Bundespreis. Das Preisgeld wird dazu beitragen, das Projekt im Raum Neustadt a.d.W. weiter auszubauen.
Heinz Hussy, PD Neustadt a.d.W.